MARKETINGINTERVIEW«Die Story mitden 16’000FrankenMonatslohnhat sich wieein Lauffeuerin ganz Europaverbreitet,die Bewerberrennen mirseither dieBude ein. Ichwerde sogarim Urlaubdarauf angesprochen,obich noch eineStelle freihätte.»Michel PéclardZur PersonMichel Péclard ist ein ZürcherUnternehmer und Gastronom.1968 in Kilchberg geboren,absolvierte er zuerst eineAusbildung zum Buchhalter,bevor er 1994 am Zürifest erfolgreicheinen Spiesslistandbetrieb und damit seine Liebezur Gastroszene entdeckte.Nachdem er die Hotelfachschuleabsolviert hatte, eröffneteer gemeinsam mit seinergeliebten Cousine Janka, die2014 an Krebs verstarb, 1998die «Pumpstation». Heuteumfasst das Péclard-Imperium19 Betriebe rund um denZürichsee. Péclard führt diePumpstation Gastro GmbHseit 2010 mit seinem GeschäftspartnerFlorian Weber,das Unternehmen beschäftigt750 Mitarbeitende. MichelPéclard war verheiratet undhat zwei erwachsene Söhne.peclard.netbewahrheitet. Die habe ich knallhart rausgeworfen,so ein Verhalten hat bei mir keinenPlatz. Seither weiss meine Crew, dass mit mirin dieser Sache nicht zu spassen ist. Wir hattendanach nie mehr ein Problem damit.Ist das nicht unfair fürdie Leute hinter den Kulissen?Bei uns in der Küche arbeiten viele Gastarbeiteraus anderen Ländern. Diejenigen unterihnen, die in unseren Betrieben am See arbeitenund nur in den Sommermonaten beschäftigtsind, bekommen im Winter vier bis fünfMonate Urlaub und können dann nach Hausezu ihren Familien – bei voller Bezahlung. Dieanderen, die ihre Familien in der Schweiz habenund in den Wintermonaten in anderen Betriebenaushelfen, erhalten in dieser Zeit dendoppelten Lohn. Es rechnet sich also für alle.Der Fachkräftemangel ist bei Ihnenalso kein Thema?Nein. Die Story mit den 16’000 FrankenMonatslohn hat sich wie ein Lauffeuer in ganzEuropa verbreitet, die Bewerber rennen mirseither die Bude ein. Ich werde sogar im Urlaubdarauf angesprochen, ob ich noch eineStelle frei hätte. Nur bei der Besetzung vonguten Küchenchefs haben auch wir Probleme.Deshalb setzen wir auf interne Weiterbildungund haben unsere eigene Kochschule gegründet,in der wir unsere Küchencrew im Winterwährend drei Monaten weiterbilden und ihnenvon der Pike auf alles beibringen. Was gar nichtso einfach ist, weil viele von ihnen weder lesennoch schreiben können – man muss ihnenalso alles zeigen oder durch Videos beibringen.Aber auch hier gilt: Man muss halt einfachkreativ werden und in seine Mitarbeitendeninvestieren.Sie polarisieren stark.Ist das Erfolgsrezept oder Hürde?Was andere Gastronomen oder die Medienvon mir denken, ist mir egal. In meiner Crewist es mir aber schon wichtig, dass mich dieLeute mögen. Und irgendetwas scheinen wir jarichtig zu machen: Im Schnitt sind Gastromitarbeitendevier bis fünf Jahre in einem Betrieb,bei uns sind es 15 Jahre. Aber ja, die Zusammenarbeitmit mir kann schwierig sein, ichsprudle vor Ideen, bin Perfektionist, kann auchmal explodieren. Wir streiten und wir vertragenuns – wie in einer richtigen Familie halt.Aber was ist denn nunIhr Erfolgsrezept?Auch wenn viele Leute behaupten, mir fallealles in den Schoss – dem ist nicht so. Aber ichhabe halt auch mal den Mut, etwas Neues zuwagen, um die Ecke zu denken. Klar wird mirjeden Tag ein Restaurant angeboten. Aber esist ja nicht so, dass diese Betriebe nicht schonvorher existiert hätten. Sie waren nur nichterfolgreich in dem, was sie taten. Manchmalmuss man halt ein wenig verrückt sein, umErfolg zu haben. Und ich habe mit meinem GeschäftspartnerFlorian Weber, der zur Hälfte anallen Betrieben beteiligt ist, meinen ruhigenGegenpol an meiner Seite. Er kümmert sich umdie unternehmerischen Belange, was mir denkreativen Freiraum erlaubt, den ich brauche.Wie handhaben Sie bei neuenKonzepten das Verhältnis zwischenKonvention und Innovation?Auch dafür brauche ich Flo. Ich kommeam Tag mit fünf neuen Ideen an, vier davonschmettert er rigoros ab. Ich bin der innovativeFreigeist, er der realistische Kopfmensch, deralles hinterfragt – deshalb ergänzen wir unsauch so gut. Und deshalb führt er unsere Firmamit ihren rund 750 Angestellten – müsste ichdas machen, wären wir schon lange in Konkurs.Ohne ihn ginge es nicht. Ich sage immer:Wenn der mir mal davonläuft, laufe ich einfachhinterher. (Lacht.)Gab es auch mal Rückschläge?Natürlich, das gehört zum Unternehmertumdazu. Mit der «Schönau» in Erlenbach,dem «Schober» im Zürcher Niederdorf unddem «NZZ Bistro» am Bellevue bin ich in denletzten 15 Jahren dreimal so richtig auf dieNase gefallen, das hat mich Millionen gekostet.Ich hatte Konzepte entwickelt, an die ich selbstnicht geglaubt habe. Das war nicht ich, da wardas Scheitern vorprogrammiert.Ihnen wird vorgeworfen, überalldenselben Einheitsbrei zu servieren:Fischknusperli und Trüffelpommes.Wenn die Leute Fischknusperli wollen, gebeich ihnen Fischknusperli. Da können meineBerufskollegen die Nase rümpfen, aber ich binnun mal überzeugt, dass du als Gastronom dasauf den Tisch bringen musst, was die Leuteessen wollen – und nicht das, was du selbstmagst. Ich bezeichne mich deshalb auch nichtals Gastronom, ich sehe mich als Gast. Wennich ein Restaurant besuche, versetze ich michimmer in die Besucher hinein und überlegemir: Weshalb sind die Gäste hier? Was gefälltihnen an dieser Location, dieser Speisekarte?Weshalb sind sie bereit, ihr Geld hier auszugeben,und nicht an einem anderen Ort?Welches ist Ihr Lieblingsrestaurant?Immer mein neustes Projekt. (Lacht.) Nein,im Ernst: Ich liebe die Herausforderung, insofernmag ich Projekte, bei denen ich michkreativ austoben kann, wie zum Beispiel dasMeine FIRMA32 01/2025
«Rooftop» an der Bahnhofstrasse. Das warvorher ein Lüftungsraum. Als ich den Leutenerzählte, dass ich dort eine Beiz hineinbauenmöchte, hielten mich alle für bekloppt. Je mehrman mich hinterfragt, umso eher laufe ich zurHochform auf. Die «Kronenhalle» würde ichnie übernehmen, die läuft ja schon. Das würdemich nur langweilen.Geben die Leute heutzutagetendenziell mehr oder weniger Geldaus für ihr Essen?Das hängt stark von der Generation ab. JungeLeute gehen lieber einmal weniger auswärts essen,dafür investieren sie ihr Geld in hochwertigeund regionale Produkte. Die feiern, dassunsere Fischknusperli von unseren eigenen Fischernfrisch aus dem Zürichsee gezogen werden.Ältere Leute achten eher auf den Preis.Wie hat sich die Gastronomie sonstnoch verändert?Die Leute achten stärker auf gesundes Essen.In der «Pumpstation» wird heute ein Drittelweniger Bratwürste bestellt als noch vor zehnJahren, dafür umso mehr Salat. 30 Prozent derjungen Frauen leben vegan oder vegetarisch,und auch Männer achten vermehrt auf Kohlenhydrate– nur sprechen sie nicht darüber.Entsprechend muss man sein Angebot anpassen– im «Lulu» am Opernhaus setzen wir deshalbauf eine leichte französische Küche. Wennein Koch sich heutzutage weigert, vegane odervegetarische Gerichte auf die Karte zu setzen,hat er seinen Beruf verfehlt. Wer nicht mit derEntwicklung mithält, muss sich nicht wundern,wenn er in Konkurs geht.Spüren Sie die Inflation?Wir merken, dass sich die wirtschaftlicheLage in den letzten zwei Jahren verändert hat,insbesondere in unseren höherpreisigen Betriebenwie dem «Coco Grill» oder dem «L’O». Dafürsteigt der Umsatz in wirtschaftlich schlechterenZeiten in günstigeren Betrieben wie der«Pumpstation» oder dem «Fischer’s Fritz». Esfindet eine Verlagerung statt – die Leute wollenja auswärts essen, können aber nicht mehr soviel Geld ausgeben.Wie reagieren Sie darauf?Es bringt nichts, über die schlechte Wirtschaftslagezu jammern, schlussendlich müssenalle unter den gleichen Bedingungenarbeiten. Man muss sich auf die verändertenBedürfnisse der Gäste einstellen. Ein Beispiel:Heute wird viel weniger Alkohol getrunken alsfrüher. Anstatt das zu beklagen, haben wir dieKarte angepasst. Im «Rooftop» verkaufen wirheute mehr Cocktails ohne als mit Alkohol –bei gleichem Preis, wohlgemerkt.Der Erfolg gibt Ihnen Recht,heute sind Sie Millionär.Geld allein macht nicht glücklich. Ich kennegenügend Topbanker, die zwar viel Geld nachHause bringen, aber todunglücklich sind mitihrem Leben. Ich sage immer: Du lebst nureinmal, also mach das Beste daraus. Was willich mit einem grossen Haus und teuren Autos?Ich liebe es, neue Konzepte zu entwickeln undkreativ zu sein. Das ist es, was mich glücklichmacht. Und ich hoffe, dass ich das noch sehrlange tun kann.●Er weiss genau, dass erpolarisiert. Aber der Erfolggibt ihm Recht – geradehat Michel Péclard sein19. Restaurant eröffnet.«Geld alleinmacht nichtglücklich.Ich kennegenügend Topbanker,diezwar viel Geldnach Hausebringen, abertodunglücklichsind mit ihremLeben. »Michel Péclard01/2025 33Meine FIRMA
Laden...
Laden...
Stay in touch